Feldmarschall Haftar marschiert auf Tripoli

Di, 16. Apr. 2019

In Libyen ist Titel Schall und Rauch. Khalifa Haftar, der Warlord der östlichen Kyrenaika, nennt sich Feldmarschall, und seine Streitmacht firmiert als Nationalarmee. Seit dem 4. April 2019 marschiert der Kriegsherr auf die Hauptstadt Tripoli im westlichen Tripolitanien. Libyen ist nicht irgendein Land im Maghreb. Erstens versorgt es Europa mit seinen Öl- und Gasreserven. Zweitens führen die Hauptrouten afrikanischer Migranten und Terrorbanden quer durch Libyen.

Militärisch gliedert sich Libyen seit jeher in drei Grosszonen:
• Im Westen entlang der Küste das relativ dicht besiedelte Tripolitanien von der tunesischen Grenze bis zur Grossen Syrte.
• Im Osten bis zur ägyptischen Grenze die historische Kyrenaika, Schauplatz grosser Schlachten wie 1942 von Rommel und Montgomery.
• Im Süden die riesigen Wüstenstriche der Sahara mit dem ölreichen Murzuq-Bassin im Südwesten und der unruhigen Südgrenze zu Niger, Tschad und Sudan. Die Lagekarte auf dieser Seite zeigt nur noch die westliche Front und Teile des Südens. Im Osten haben die Gegenregierung und Haftars Nationalarmee den Bürgerkrieg längst entschieden.

Zangenangriff auf Gharyan
Die Kyrenaika mit ihrer Hauptstadt Benghazi ist fest in der Hand der Opposition. Ebenso hat Haftars Nationalarmee im Süden einen breiten Korridor freigekämpft. Vom Knotenpunkt Qurayat stiess die Nationalarmee zuerst nordnordwestlich und dann nördlich auf den Ort Gharyan 90 Kilometer südlich von Tripoli vor.

Weil der Warlord Haftar weiter westlich auch bei Zintan gegen Norden durchgebrochen war, konnte er Gharyan am 4. April in die Zange und in Besitz nehmen.

«Hisst die weisse Fahne»
Ebenfalls am 4. April rief Haftar seine Truppen zum Sturm auf Tripoli auf. Zudem forderte er die Einwohner der Hauptstadt auf, keinen Widerstand zu leisten:
• «Marschiert mutig voran.
• Wer Frieden will, dem tun wir kein Leid. Wir kommen nicht als Eroberer.
• Wer Frieden will, der hisse am Haus die weisse Fahne.
• Wer sich widersetzt, wird spüren, dass der Boden unter den Füssen erzittert.
• Gegen Terroristen, Söldner und unrechtmässige Herrscher gehen wir gnadenlos vor.»

Bei Redaktionsschluss ist der Kampf um Tripoli noch offen. Beide Parteien melden Erfolge – wie das in arabischen Ländern Tradition hat.

Wie in Syrien und Irak
Im libyschen Bürgerkrieg stehen sich genau so wie in Syrien und Irak nicht einfach zwei Parteien gegenüber – nicht allein Sarrajs Truppe und die Nationalarmee:
• Unter den Kräften, die Haftar noch Widerstand leisten, besitzen die Milizen von Tripoli und Orten wie Misrata mehr Kampfkraft als Sarraj.
• Milizen beherrschen die Häfen an der Grossen Syrte; sie sind auch für den Öl- und Gasexport von Bedeutung.
• Südlich von Ausfuhrhäfen treiben sich Reste des in Syrien und Irak zerschlagenen ISIS herum, marodierend, eher am Rande der Ressourcen.

Stämme beherrschen Libyen
Überhaupt geht es im Krieg auch um Öl und Gas. Seit Gaddafis Sturz beherrschen wieder die Stämme das weite Land. Jeder Stamm kontrolliert seine eigenen Quellen, und jeder ist mit einer der neun Gesellschaften verbunden, die wiederum alle je einem ausländischen Partner zudienen.

Wer Libyen ergründen will, studiere die Karte der Ressourcen, Firmen, Pipelines und Häfen. Peter Forster


Wer ist, was will Haftar?

Khalifa Haftar, Jahrgang 1943, gehörte 1969 zu den Freien Offizieren, die König Idris stürzten und Muammar Gaddafi an die Macht putschten.

Im Tschadkrieg geriet er 1987 in Gefangenschaft, worauf ihn Gaddafi elend verriet. Mit Hilfe der CIA gelang ihm die Flucht in die USA, wo er, wohnhaft in Virginia, für den amerikanischen Geheimdienst arbeitete.

2011 beteiligte er sich an Gaddafis Sturz. Er wurde Heereschef und von der Opposition zum Feldmarschall der Nationalarmee ernannt. Sein Ziel ist die Herrschaft über ganz Libyen. Er will die Macht bewaffnet erringen; sein Schicksal ist eng mit dem militärischen Verlauf des Bürgerkrieges verknüpft.

 

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