Peter Winter: «Air2030» fordert uns alle heraus

Di, 16. Apr. 2019

Der OG Bodensee gelang an ihrer GV ein Coup: Sie hatte Oberst Peter Winter, in der Luftwaffe Backseater auf PC-9 und F-5, im Beruf Leiter Armasuisse-Kompetenzbereich Luftfahrtsysteme, als Redner zu «Air2030» gewonnen. Einen kompetenteren Referenten als Oberst Winter hätte die OG nicht verpflichten können: Ihre Mitglieder erhielten einen gründlichen, unaufgeregten Einblick in das zentrale VBS-Geschäft.

Peter Winter, Dipl. Elektroingenieur und MBA Universität St. Gallen, dient als Milizoberst im Stab Luftwaffe. Er nennt seine Tätigkeit bei der Armasuisse und gleichzeitig in der militärischen Milizfunktion eine gute Symbiose.

Prekäre Lage 2025
Bei «Air2030» gehe es vorrangig darum, zuerst das fliegende Element mit dem bodengestützten Element zu verbinden und dann die so gewonnene Luftverteidigung mit dem Heer abzustimmen, das seinerseits erheblichen Erneuerungsbedarf hat:
• Das Flab-TRIO Kanone, Rapier, Stinger erreicht dann das Ende, oder Teile davon sind schon ausgemustert.
• Die verbleibenden F-5 Tiger werden bis 2025 vor allem noch als «Aggressoren» im Luftkampf eingesetzt.
• Über 2025 hinaus reicht – bis maximal 2030 – der F/A-18 Hornet. Diese Maschinen gewährleisten den Einsatz mit zwei Flugzeugen rund um die Uhr (das Projekt Luftpolizei 24 kommt gut voran).

8 + 7 = 15 Milliarden
Dann projizierte Peter Winter drei Zahlen auf die Leinwand: 8 + 7 = 15 Milliarden Franken. Will heissen:
• Zuerst 8 Milliarden für die Erneuerung der Luftverteidigung, bestehend aus den Komponenten NKF (neues Kampfflugzeug) und BODLUV (bodengestützte Luftverteidigung).
• Dann 7 Milliarden für die Erneuerung mehrerer in die Jahre gekommenen Heeressysteme.

Der Planungsbeschluss

Eingehend erläuterte Oberst Winter den bundesrätlichen Planungsbeschluss vom 9. März 2018.

In der Staffelung – zuerst der grundsätzliche Volksentscheid zur Planung von «Air2030», dann erst die Typenwahl – sieht er Vorteile.

Fünf Bewerber
Beim Kampfjet haben fünf Firmen aus vier Nationen den Hut in den Ring geworfen: Airbus mit dem Eurofighter, Boeing mit dem F/A-18 Super Hornet, Dassault mit dem Rafale, Lockheed Martin mit dem F-35A und Saab mit dem Gripen-E.

In Payerne erhalten nun zwischen April und Juni 2019 die Konkurrenten je eine Woche, um ihre Jets zu präsentieren. Bei der Bewertung gelte der Schlüssel:
• 55% Wirksamkeit
• 25% Produktesupport
• 10% Kooperation
• 10% Direkte Industriebeteiligung

Gestrenge Verifikation
In Payerne verifizieren VBS Fachleute die fünf Bewerber: Stimmt die Leistung mit dem überein, was die Firmen anpriesen? Wie Peter Winter ausführte, behält er sich weitere Angebotsrunden vor, weil es gilt, für die Schweiz die besten Offerten einzubringen. Wo liegen Stolpersteine? Was soll vermieden werden?
• Ein Informations- und Kommunikationsdefizit.
• Die Politik müsse hinter dem Projekt stehen. Doch schon zum Planungsbeschluss hatten die Parteien eigene Positionen. Da warte eine Herkulesaufgabe auf Bundesrätin Amherd.
• Gut zu beachten ist bei jedem Bewerber der «Reifegrad». Das «Papierflieger»-Debakel von 2014 muss vermieden werden.
• Die Vertraulichkeit wird mit enormem Aufwand sichergestellt. Winter: «Wir tun alles, die Daten gut zu schützen. Zentrale Laptops gelangen nie ans Internet und Memory-Sticks können gar nicht angeschlossen werden.»

Wenn es brennt…
Zum Schluss erinnerte der Experte, der das ganze Referat in freier Rede hielt, an grundlegende Wahrheiten:
• Immer wieder höre er, im Ernstfall werde ein Nachbarstaat schon helfen. Das sei ein Irrtum – als ob andere Luftwaffen dann nichts anderes zu tun hätten, als der Schweiz beizustehen.
• Die heutigen Kampfflugzeuge und die bodengestützte Luftverteidigung kurzer Reichweite sind veraltet oder werden es bald sein. Eine BODLUV grösserer Reichweite ist nicht vorhanden.
• Der Bundesrat sieht für die Beschaffungen maximal 8 Mia. Franken vor. Die Beschaffungen werden aus dem Armeebudget bezahlt.
• Wenn es brennt, müssen wir uns selber helfen. Peter Forster


Ungewöhnliche GV

Statutarisch dauert die OG-Bodensee-GV sonst 15 Minuten. Nicht so 2019. Zur heftigen, schonungslosen Diskussion siehe die folgende Seite: Klartext!

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