1991: Sturm auf Kuwait

Di, 16. Apr. 2019
Angriffsgrundstellung alliierte Streitkräfte, Operation «DESERT STORM», 24. Februar 1991.

August 1990. Nach erfolglosem Druck auf die kuwaitische Regierung setzte der irakische Diktator Hussein seine Divisionen in Marsch. Die viertstärkste Armee der Welt, erprobt aus dem Krieg gegen den Iran, besetzte Kuwait. Schon standen Ölfelder in Flammen, die amerikanische Botschaft in Kuwait City wurde geräumt, und die UNO rief zur Krisensitzung auf.

Durch die Annektierung des Öl-Emirates erhoffte sich Hussein Kontrolle über 20% der weltweiten Erdölreserven und einen Schuldenerlass aus dem Iran-Irak-Krieg.

Präsident Bush berief General Norman Schwarzkopf, den Oberbefehlshaber von CENTCOM (Naher Osten), zur Lagebeurteilung nach Washington. Der West-Point-Absolvent unterstrich die Gefährlichkeit der Lage und warnte vor einem Übergriff der Iraker nach Saudi-Arabien.

«DESERT STORM»
Diplomatische Bemühungen um einen Rückzug der irakischen Verbände aus Kuwait schlugen fehl. Bush zögerte nicht und beorderte eine Streitmacht von 29 Staaten in die Golfregion.

Schwarzkopfs Generalstab erarbeitete den Offensivplan mit dem Code «DE-SERT STORM». Am 17. Januar 1991 entbrannte der Sturm auf Kuwait. Hunderte von Kampfflugzeugen donnerten von Flugplätzen in Saudi-Arabien, Bahrain, den VAE und Qatar und von Flugzeugträgern im Golf und im Roten Meer los.

Der Luftschlag der alliierten Streitkräfte, rund 30 000 Einsätze, zeigte verheerende Wirkung: Die irakische Luftverteidigung wurde ausgeschaltet, zahlreiche Führungseinrichtungen vernichtet und die Front stark dezimiert.

Mit der Gewissheit der Luftherrschaft befahl Schwarzkopf den vernichtenden Schlag am Boden.

Seine Kampfidee beruhte auf Kombination von infanteristischem Angriff gegen die besetzte Hauptstadt und mechanisierter Umfassung (left hook), um die Iraker an der kuwaitischen Grenze einzukesseln und zu vernichten.

Das alliierte Kontingent
Entlang der saudischen Grenze bezogen drei alliierte Kampfverbände ihre Angriffsgrundstellungen:
• Am rechten Flügel die infanteristische Koalition aus zwei arabischen Korps (Joint Force Command) und zwei US Marine-Infanterie-Divisionen.
• An der linken Flanke das mobile XVIII. US Luftlande-Korps.
• In der Mitte das schwere mechanisierte VII. Korps.
• Die Kampfkraft lag bei rund 630 000 Soldaten, 3700 Panzern, mehrheitlich M1A1 Abrams und M60, und 2100 Artilleriegeschützen.

Die irakische Streitmacht
Die irakische Armee besetzte mit 42 Divisionen den Operationsraum.
• Der Grossteil der Verbände sicherte Kuwait selber oder verteidigte die irakische Grenze zu Saudi-Arabien.
• Zurückgestaffelt im Hinterland lagen die sieben Panzerdivisionen der gefürchteten Republikanischen Garde und Reserveelemente.
• Die Kampfkraft lag bei rund 545 000 Soldaten, 4500 Panzern, mehrheitlich T-72 Ural und T-62 aus sowjetischer Produktion, und 3200 Artilleriegeschützen.

Panzerentwicklungen
Noch bis Ende der 1970er-Jahre dominierten die Panzer M60 und M48 Patton die mechanisierten Verbände der USA.

Beide Panzer genügten modernen Anforderungen nicht mehr. Der US-Kongress bewilligte die Entwicklung eines neuen schweren Kampfpanzers und beauftragte Creighton Abrams, den späteren Namensgeber, mit dem kühnen Projekt. Als gewiefter Panzergeneral bekannt, wurde Abrams Nachfolger General Westmorelands, des Oberbefehlshaber im Vietnamkrieg.

Abrams forderte Verbesserungen zum Schutz der Besatzung, höhere Verlässlichkeit der Motorisierung und vereinfachte Wartung. Die Produktion des M1 Abrams begann im März 1981. Die kampfwertgesteigerte Version M1A1 mit einer 120-mm-Kanone erfuhr die Feuertaufe im Zweiten Golfkrieg 1991, wo die irakischen T-72 Ural an der Grenze zu Kuwait warteten. Die Konzeption des sowjetischen Panzers T-72 Ural begann 1972 und sah die Ablösung von Beständen an T-54/55 und T-62 der Warschauer-Pakt-Staaten vor. Ausgerüstet mit einer 125-mm-Kanone, gilt der T-72 Ural mit rund 20 000 produzierten Einheiten als der gegenwärtig am meisten genutzte Panzer auf dem Globus. Im Ersten Golfkrieg 1980 erlebte der mittelschwere Panzer seinen ersten Kriegseinsatz für den Iran wie auch den Irak.

Übergriff auf Saudi-Arabien
Völlig überraschend griff am 29. Januar 1991 die irakische 5. Mechanisierte Division die saudische Grenzstadt Khafji an. Schwarzkopf befahl den Gegenschlag. Bush riss der Geduldsfaden: Er setzte Hussein ein letztes Ultimatum für den Abzug seiner Streitmacht. Dieses verstrich ohne Gegenreaktion, und Schwarzkopf löste die Bodenoffensive aus. Seine Absicht lautete:
• Westlich des Angriffsstreifen mit dem XVIII. Korps (General Luck) mit der 82. und 101. Luftlande-Div, der 24. Mech Div und der französischen 6. Pz Div auf Höhe Euphrat vorstossen, um die Achse as-Samawah–Basra zu sichern und Nachschub zu verhindern.
• Nördlich mit dem VII. Korps (General Frank) im Breitkeil mit der 1. und 3. Pz Div, der 1. Inf Div, der 1. Kavallerie-Div und der britischen 1. Pz Div die irakische Verteidigungslinie frontal durchbrechen, in die Tiefe des Operationsraumes vorstossen und die Garde-Div vernichten.
• Östlich mit den arabischen Verbänden Joint Force Command-Nord und -Ost (General Sultan) die Verteidigungslinien durchstossen. Mit der 1. und 2. Marine Inf Div (General Boomer), verstärkt mit einer Pz Br, auf Kuwait vorstossen, Gegner vernichten und die Stadt Kuwait City befreien.

Der Kampfverlauf
Am 24. Februar 1991, 4 Uhr, durchbrachen an der Ostflanke die 1. und 2. Marine Inf Div, frontal die Saddam-Linie.

Entlang der Küste des Golfes holten die saudischen Truppen zu einem ähnlichen Unternehmen aus.

Im Westen des Angriffsstreifens setzten sich Teile des XVIII. Luftlande-Korps in Marsch. Die 6. Pz Div und die 82. Luftlande Div verschoben zur Flankensicherung bis auf Höhe Flugplatz Al Salmon.

Rechts davon erfolgte die bisher grösste Heli-Luftlandeoperation: Mit mehr als 300 Kampf- und Transportheli verlegte ein Kontingent der 101. Airborne-Division in den Raum Al-Busaya. Diese vorgeschobene Helikopterbasis ermöglichte Einsätze in die Flanke der südwestlich von Basra liegenden Garde Pz Div.

Die irakischen Fronttruppen, deren Einheiten schon vor Angriffsbeginn eine Desertionsrate von 30% aufwiesen, leisteten kaum Widerstand. Die Gräben und Minensperren waren vielfach für den Durchbruch bereits freigeschossen.

Zugleich häuften sich Meldungen, dass die Iraker ihre Taktik der verbrannten Erde in Kuwait ins Unermessliche steigerten. Diese Faktoren veranlasste die alliierte Führung, den Panzerangriff des VII. Korps um einen halben Tag vorzuziehen.

Die 1. Inf Div (Big Red One) durchbrach rasch den im Westen schwächeren iVerteidigungswall, durch den die britische 1. Pz Div rollte. Westlich davon stiessen die amerikanische 1. und 3. Pz Div im Breitkeil und die 1. Kavallerie-Div nach.

Am nächsten Tag stiess der Panzerkeil des VII. Korps mit ungeheurem Tempo nordostwärts gegen den Bereitstellungsraum der Garde vor. Das XVIII. Korps führte seine Angriffe auf Logistik- und Versorgungskonvois entlang des Euphrat weiter und schwenkte in östliche Richtung, um den Riegel endgültig zu schliessen.

Gegen massiven Widerstand kämpften sich die Marine-Infanterie und die beiden Joint Forces Command weiter Richtung Kuwait-Stadt vor. Die Rauchentwicklung, der von Iraki in Brand gesetzten Ölquellen erschwerte den Vorstoss.

Das VII. Korps erreichte die Flanke der schweren Garde Pz Div und nahm den Feuerkampf auf. Das Stabilisierungssystem des Abrams ermöglichte Zielerfassung und Schussabgabe aus der Bewegung. Die Feuerwalze traf die T-72 Ural der ersten Verteidigungslinie mit voller Wucht.

Die zweite Linie verteidigten die restlichen Garde Div. Darauf entbrannte die grösste Panzerschlacht von «DESERT STORM», die Schlacht um die Medina-Brücke, einen Flussübergang an der irakisch-kuwaitischen Grenze. Nach zwei Stunden erbittertem Panzergefecht waren grosse Teile der Garde Div zerschlagen und die restlichen in den Bereitstellungsraum Basra zurückgeworfen.

Gleichzeitig stiess die Marine-Infanterie nach Kuwait-Stadt vor. Sie vereinigte sich mit den saudischen Verbänden und säuberten die Stadt. Tausende Iraker wurden gefangengenommen.

Am 27. Februar 1991 befreite die 1. Marine Div den Flugplatz. Kuwait City war befreit, die Schlacht war geschlagen.

Überlegener Abrams
Die damaligen strategischen Pläne für einen sowjetischen Präemptivschlag gegen Westeuropa entsprachen der operativen Kampfidee Schwarzkopfs: Zerstörung der feindlichen Luftwaffe am Boden und in der Luft, Ausschalten der Führungsinfrastruktur, Bindung und Täuschung durch zahlreiche Angriffe an der Front und grossräumiger Sichelschnitt zur Umfassung und anschliessender Vernichtung des Gegners.

Dabei entfalteten die Panzervorstösse des VII. Korps eine selbst für amerikanische Operationen ungewöhnliche Wucht. Beim Duell M1A1 Abrams gegen T-72 Ural zeigten sich die amerikanischen Panzer bezüglich Zielgenauigkeit und Ersttrefferwahrscheinlichkeit, vor allem auf Distanzen über 1800 Meter, überlegen.

Als leistungsfähig erwiesen sich die mit Wärmebildgeräten versehenen US-Panzer. Dagegen blieben die noch mit IR-Scheinwerfern ausgerüsteten irakischen Panzer im Nachtkampf chancenlos.

Die Terrainverhältnisse in der irakischen Wüste ermöglichten Panzerangriffe auf breiter Front mit maximaler Waffenentfaltung. Der Erfolg der Bodenoffensive zeigte, dass nebst panzerstarken, durch moderne Heli unterstützten Verbänden, das Präzisionsfeuer der Artillerie von zentraler Bedeutung war. Dieses verunmöglichte letztendlich einen organisierten Verteidigungskampf des Gegners.

Minimale Verluste
Brilliant führten die amerikanischen Streitkräfte am Golf mit einem kaum fassbaren Minimum an Verlusten eine militärische Operation zum Sieg. Die Generalität hatte die Lehren aus dem Vietnam gezogen.

General Schwarzkopf arbeitete nachher als militärischer Berater, zuletzt für die Operation «IRAQI FREEDOM». Er starb mit 76 Jahren. Über seine Rolle im Golfkrieg sagte er: «Ich bin kein Held. Ich hatte nur das Glück, einen sehr erfolgreichen Krieg zu führen.» Marc Lenzin

 

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